Wie sozial ist Kaffee?
Text von Nora Schönherr
Vielleicht träumt man immer noch vom unglaublichen Latte Macchiato der letzten Italienreise. Oder kauft nur die exklusiven Bohnen aus Bolivien. Manch einer könnte wahrscheinlich ohne die morgendliche Dosis Koffein gar nicht aufstehen. In welcher Bedeutung auch immer, Kaffee ist ein fester Bestandteil unseres Alltags und das nicht zu knapp, denn wir in Deutschland trinken mit 170l jährlich mehr Kaffee als Bier und sogar Wasser.
Wie und wann aber kam das beliebte Getränk in unseren Kulturkreis? Dass England das Ursprungsland des Kaffeetrinkens in Europa ist, erwartet man von der Teenation kaum. Zwar eröffnete das erste Kaffee im 17. Jahrhundert in Venedig, aber ein Aufblühen der Kaffeekultur kam erst , als das Konsumgut aus dem Osmanischen Reich über die Handelsrouten nach Frankreich und besonders England kam. Die meisten Getränke zur damaligen Zeit waren alkoholisch. Schon Kinder tranken zum Beispiel Bier und Wein. Gerade Bier ist zwar sehr nahrhaft, aber Alkohol trübt bekanntlich den Kopf. Ein Kaffee vor der Arbeit macht da natürlich durch das aufputschende Koffein viel produktiver und konzentrierter als ein Glas Bier.
So etablierten sich Ende des 17.Jahrhundert in England und Frankreich öffentliche Kaffeehäuser, in denen Männer verschiedener Stände und Berufe zusammenkamen. Kaffeehäuser sind nicht vergleichbar mit den heute für Kaffeeklatsch und Kuchen bekannten Cafes, sondern waren Orte des gesellschaftlichen, sowie geschäftlichen Austausches. Die Londoner Versicherungsagentur Lloyds entwickelte sich beispielsweise aus einem Kaffeehaus, da dort der erste Kontakt zwischen Kunden und Agenten stattfand. Kaffeehäuser boten Raum für intellektuelle Diskussionen und waren gleichzeitig Literatur- und Informationszentren. Erst nach und nach wurde Kaffee auch privat getrunken. Das Ritual des morgendlichen Kaffees hat noch Parallelen zum Kaffeehaus, denn man startet mit dem Kaffee in den Tag um wach und produktiv zu werden. Die Kaffeehausära endet in England im 18. Jahrhundert mit der zunehmenden Popularität des Tees.
Nach Deutschland fand der Kaffee seinen Weg erst im 18. Jahrhundert, wo er allerdings sofort im privaten Konsum zu finden war und nicht in Kaffeehäusern. Im Gegensatz zu England und Frankreich hatte Deutschland keine Kolonien, weswegen Kaffee importiert werden musste. Das schwächte die deutsche Wirtschaft, woraufhin Kaffeeverbote und extrem hohe Kaffeesteuern eingeführt wurden. Es gab sogar ideelle Ansätze um die Beliebtheit des Getränks zu mindern: Kaffee wäre undeutsch und verdränge das deutsche Bier. Aber wie man heute sieht konnte sich das Kaffeetrinken in der deutschen Gesellschaft durchsetzten.
Auch wenn das Getränk gleich geblieben ist, so hat sich sein Stellenwert ein wenig verändert. Damals wie heute verkörpert Kaffee in gewisser Weise eine Leistungsgesellschaft, wenn man das familiäre Kaffeekränzchen mal außer Acht lässt. Im Kaffeehaus förderte er den produktiven Zeitgeist des damals aufstrebenden Bürgertums und war Teil eines sozialen und kommunikativen Prozess, während er heute als berüchtigter Coffee-to-go eher ein Prestigeobjekt ist. Mit einem Pappbecher in der Hand zur Bahn zu hetzen zeigt, wie beschäftigt, ausgeplant und leistungsorientiert man ist. Er dient als Accessiore in einer schnellen Arbeitswelt, in der man Koffein braucht, um etwas leisten zu können, in der nicht einmal Zeit für eine Tasse Kaffee ist. Man würde nicht nur der Umwelt etwas Gutes tun, wenn man den Verbrauch der überall verbreiteten Pappbecher etwas minimiert, sondern auch sich selber.
Bewusst einen Kaffee zu trinken tut während eines stressigen Arbeitstages erstaunlich gut und im Büro während einer Kaffeepause ins Gespräch zu kommen, kann neue Ideen und Ansätze liefern. Es ist auch schon einen Wandel zu entdecken: immer mehr Kaffees werden wieder als Lernort genutzt oder als Treffpunkt für Freunde. Trends wie wachsendes Umweltbewusstsein, bewusster Leben und Genießen sowie das Verlangen nach Entschleunigun bringen uns den Kaffee wieder zurück zu dem was er anfangs war : ein fester Bestandteil von sozialem Austausch.